Drucken

Prüfungsfragen zur "Binge-Eating-Störung"

27.10.2016

Immer häufiger gibt es Fragen zur Essstörung „Binge-Eating(BES) in den schriftlichen Prüfungen:

Oktober 2016:

Aussagenkombination:

Welche der folgenden Aussagen zur Binge-Eating-Störung (BES) treffen zu?

  1. Die Ersterkrankung tritt überwiegend in Verbindung mit einer psychotischen Erkrankung auf
  1. Charakteristisch sind wiederkehrende Essanfälle über einen Zeitraum von mehreren Monaten
  1. Die Erkrankung wird typischerweise von Scham und Schuldgefühlen begleitet
  1. Psychische Faktoren spielen bei der Entstehung der Erkrankung eine wichtige Rolle
  1. Durch gegensteuerndes Verhalten (Erbrechen, Hungerperioden) besteht meist ein deutliches Untergewicht
  1. Nur die Aussagen 2 und 4 sind richtig
  1. Nur die Aussagen 3 und 4 sind richtig
  1. Nur die Aussagen 2, 3 und 4 sind richtig
  1. Nur die Aussagen 2, 3 und 5 sind richtig
  1. Alle Aussagen sind richtig

Richtige Antwort: C

 

März 2015:

Welche der folgenden Aussagen zur sog. Binge-Eating-Störung treffen zu?

Wählen Sie 2 Antworten!

  1. das Körpergewicht liegt unter einem Body-Mass-Index (BMI) von 17,5 kg / m2
  1. typisch ist sofortiges Erbrechen nach dem Essen
  1. häufig besteht Übergewicht
  1. die Impulskontrolle ist gestört
  1. Männer sind deutlich häufiger betroffen als Frauen

Richtige Antworten: C, D

 

Da für die BES  im ICD 10*) keine diagnostischen Leitlinien beschrieben sind und die Störung in den Lehrbüchern selten ausführlich dargestellt wird, gebe ich Ihnen nachfolgend einen Überblick über die Störung:

 

Die Binge-Eating-Störung (BES) wird bislang nicht als eigenständige Störung im ICD 10 aufgeführt. In der neuen Fassung des amerikanischen Diagnosesystems DSM 5**), erschienen Mai 2013, wurde sie als offizielle Diagnose unter den Essstörungen mit aufgenommen.

Das ICD wird derzeit überarbeitet, die neue Version (Nr. 11) wird voraussichtlich in 2017 erscheinen. Ob in der überarbeiteten Fassung die BES als offizielle Diagnose mit aufgenommen wird, bleibt abzuwarten.

Bislang kann man die BES unter „Essattacken bei anderen psychischen Störungen“ (F50.4) im ICD 10 einordnen.

 

Nachfolgend die wichtigsten Kriterien der BES:

 

Diagnostische Leitlinien gemäß DSM 5:

1. wiederholte Essanfälle:

  • mindestens einmal pro Woche über einen Zeitraum von 3 Monaten
  • es besteht ein völliger Kontrollverlauf (Impulskontrollverlust) gegenüber dem Essen (z. B. das Gefühl, nicht mit dem Essen aufhören zu können oder keine Kontrolle über Art und Menge der Nahrung zu haben)

Ein Essanfall wird definiert als der Verzehr einer Nahrungsmenge in einem bestimmten Zeitraum (z. B. 2 Stunden), wobei die Nahrungsmenge erheblich größer ist als die Menge, die die meisten Menschen in einem vergleichbaren Zeitraum unter vergleichbaren Bedingungen essen würden

 

2. die Essanfälle treten gemeinsam mit mindestens 3 der folgenden Symptome auf:

  • schneller essen als normal
  • Essen bis zu einem unangenehmen Völlegefühl
  • Essen großer Mengen ohne Hunger
  • alleine essen aus Verlegenheit und Scham über die Menge
  • Ekel, Deprimiertheit oder Schuldgefühle bezüglich des Essens

 

3. es besteht deutlicher Leidensdruck bezüglich der Essanfälle

 

4. es erfolgen keine kompensatorischen Maßnahmen zur Gewichtsregulierung, wie z. B. selbst induziertes Erbrechen oder Missbrauch von Abführmitteln (im Gegensatz zur Bulimia nervosa!)

 

mögliche Folgen der BES:

  • da die BES in aller Regel mit Übergewicht (BMI = 26 - 30) bis hin zu Adipositas (BMI > 30) einhergeht, birgt sie große Risikofaktoren für körperliche Folgeerkrankungen

CAVE: BES ist etwas anderes als Adipositas (starkes Übergewicht): die meisten Menschen mit Adipositas haben keine regelmäßigen Essanfälle

  • auch soziale Folgen, wie z. B. Rückzug und Abnahme der Lebenszufriedenheit sind häufig

 

Prävalenz:

  • die Prävalenz liegt bei ca. 1,2% - Frauen und Männer sind in etwa gleich häufig betroffen

 

Komorbidität:

bei der BES besteht eine hohe Komorbidität mit

  • depressiven Störungen (F3)
  • Angststörungen (F4)
  • Substanzmissbrauch/-abhängigkeit (F1)

 

Ätiologie und Verlauf:

  • die Ätiologie der BES ist noch unklar – es wird von einem multifaktoriellen Entstehungsbild ausgegangen
  • da die Störung familiär gehäuft auftritt, geht man von zusätzlichen genetischen Faktoren aus
  • eine weitere Annahme ist eine psychogene Verursachung, da z. B. die Essanfälle überwiegend durch negative Gefühle, Stress oder Langeweile ausgelöst und/oder unangenehme Gefühle dadurch unterdrückt werden
  • auch eine Selbstwertproblematik und depressive Symptome können im Vorfeld eine Rolle spielen
  • auch zum Verlauf der Störung liegen noch wenige Daten vor: man geht davon aus, dass die Störung unbehandelt meist chronisch verläuft; es bei einer Therapie hingegen bei ca. 2/3 der Betroffenen zu einer Remission kommt

 

Weitere Details und Erläuterungen zur BES finden Sie in Skript Nr. 8 „Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen / Essstörungen“.

 

*ICD 10: International Classification of Diseases, 10. Ausgabe, Herausgeber: WHO; in Deutschland gültiges Klassifikationssystem
**DSM 5: Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 5. Ausgabe, Herausgeber: American Psychiatric Association); gültig in den USA; gilt in Deutschland als „Nachschlagewerk“, allerdings nicht zur Kodierung von Erkrankungen

 

Wörterbuch:
 

binge (engl.) = das Gelage
 

Prävalenz (lat.: praevalere = sehr stark sein)

  • medizinisch: Krankheitshäufigkeit in der Bevölkerung
     

Komorbidität (lat.: morbidus = krank / morbus = Krankheit)

  • das Auftreten zusätzlicher Erkrankungen im Rahmen einer Grunderkrankung (auch: Begleiterkrankungen), die ein eigenes abgrenzbares Krankheitsbild darstellen
  • häufig hängen Komorbiditäten  mit der Grunderkrankung zusammen; sie können aber auch völlig unabhängig davon sein


Ätiologie (gr.: aitia = Ursache)

  • Lehre von den Krankheitsursachen

 

Quellen:

  • Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen DSM-5, Hogrefe-Verlag, Ausgabe 2015
  • Internationale Klassifikation psychischer Störungen ICD 10 V (F), klinisch-diagnostische Leitlinien, Dilling, Verlag Hans Huber, 8. Auflage 2011
  • Fachzeitschrift „Der Nervenarzt“, 11 - 2012