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Schriftliche Prüfung vom 15.03.2017 - Kommentar

18.03.2017

Kommentar zur aktuellen schriftlichen Prüfung für den Heilpraktiker, eingeschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie, vom 15.03.2017

Die Prüfung enthält einige Fragen, die auf den ersten Blick nicht ganz einfach zu beantworten sind. Auf diese werde ich nachfolgend eingehen. Insgesamt ist festzuhalten, dass es zu allen relevanten Prüfungsbereichen eine Frage gab. Das erste Mal seit längerer Zeit auch wieder eine Frage zur „Psychoanalyse“, die nicht die Abwehrmechanismen betraf.

 

Die einzelnen Fachgebiete wurden in der folgenden Gewichtung abgefragt:
 

je 4 Fragen aus den folgenden Bereichen:

therapeutische Verfahren: Autogenes Training; Berechtigung zur Durchführung von Verhaltenstherapie; Psychoanalyse; welche Verfahren zählen zu den Psychotherapieverfahren?

F1: psychotrope Substanzen: bei welchen Substanzen kommt es zu Mydriasis; Merkmale der Alkoholabhängigkeit; Korsakow-Syndrom, Polytoxikomanie

F2: Schizophrenie und wahnhafte Störungen: wahnhafte Störung; Negativsymptomatik; Ursachen und Symptome; speziell psychomotorische Symptome

 

je 3 Fragen aus den folgenden Bereichen:

F7-9: Kinder- und Jugendpsychiatrie: ADHS, Intelligenzminderung sowie Intelligenz-Tests, Entwicklungsstörungen

F4: Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen: Anpassungsstörung; soziale Phobie; PTBS

 

je 2 Fragen aus den folgenden Bereichen:

F6: Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen: dissoziale PS; Borderline-PS

Suizidalität: Umgang mit suizidgefährdeten Personen; präsuizidales Syndrom nach Ringel

 

je 1 Frage aus den folgenden Bereichen:

F0: Organische Störungen: Abgrenzung der Symptome bei Delir / Alzheimer-Demenz

F3: Affektive Störungen: somatisches Syndrom bei der Depression

F5: Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen: Bulimia nervosa

Psychopathologie: quantitative Bewusstseinsstörungen

Psychopharmaka: Lithium: mögliche Nebenwirkungen

Juristische Aspekte: Betreuungsgesetz

 

Insbesondere die folgenden Fragen haben zu Verunsicherungen geführt:

 

Frage Nr. 19, Gruppe B:

Welche der folgenden Aussagen zum Intelligenztest (z. B. HAWIE: Hamburg-Wechseler-Intelligenztest für Erwachsene, Mittelwert 100, Standardabweichung 15) treffen zu?

Wählen Sie 2 Antworten!

  1. Ein IQ (Intelligenzquotient) von 50 entspricht der durchschnittlichen Intelligenz
  1. Bei einem IQ von 100 haben 50% der Referenzgruppe einen höheren Intelligenzquotienten
  1. 30% der Menschen liegen zwischen einem IQ von 85 bis 115
  1. Ein IQ von 115 entspricht einem Prozentsatz von 99 (99% der Referenzgruppe erreichen niedrigere Werte im Test)
  1. Ein IQ von weniger als 20 entspricht nach ICD 10 einer schwersten Intelligenzminderung

Richtige Antworten: B) und E)

 

Dies ist eine echte „Stolperfrage“:

Bei dieser Frage muss man sich genau die Angaben in der Fragestellung anschauen: dort ist bereits erwähnt, dass der Mittelwert (= durchschnittlicher IQ) bei 100 liegt mit einer zusätzlichen Abweichung von 15. Daraus resultiert:

zu A): falsch, da der Durchschnitt (Mittelwert) bei 100 liegt

zu B): richtig, da der Begriff „Mittelwert“ eine gegebene Verteilung in 2 gleich große Teile teilt und somit 50% unter 100 liegen und 50% über 100 liegen

zu C): falsch: ca. 75 – 80% der Menschen liegen zwischen einem IQ von 85 bis 115

zu D): falsch, siehe B) und C): 115 entspricht dem „Mittelwert“ und kann deshalb nicht für 99% der Referenzgruppe gelten

zu E): richtig: dies ist ein Diagnosekriterium aus dem ICD 10

 

Frage Nr. 4, Gruppe B:

Welche der folgenden Aussagen zur rechtlichen Betreuung treffen zu?

Wählen Sie 2 Antworten!

  1. Bei behandlungsuneinsichtigen psychisch Kranken kann das Gesundheitsamt eine Betreuung anordnen.
  1. Die Behandlung von Menschen mit Betreuung ist Heilpraktikern grundsätzlich nicht gestattet.
  1. Die Entscheidung über die Bestellung eines Betreuers trifft das Gericht.
  1. Die Einrichtung einer Betreuung gegen den Willen des Patienten kann auch durch nahe Angehörige angeregt werden.
  1. Eine Betreuung bleibt lebenslang bestehen.

Richtige Antworten: C) und D)

 

zu A): falsch: das Gesundheitsamt kann – wie jeder andere auch – eine Betreuung anregen und ist in der Regel auch das durchführende Amt für die Einrichtung einer Betreuung – ABER: es kann nicht eine Betreuung anordnen, das kann nur das Gericht (siehe auch Antwort C)).

zu B): falsch – ohne weiteren Kommentar

zu E): falsch: eine Betreuung ist nur so weit und so lange zulässig, wie dies erforderlich ist; nach spätestens 5 Jahren muss die Bestellung eines Betreuers überprüft werden; sollte sie verlängert werden müssen, sind die Voraussetzungen dafür in einem erneuten Gerichtsverfahren festzustellen

Weitere Details siehe in Skript Nr. 6 „Juristische Aspekte“

 

Frage Nr. 1, Gruppe B:

Welches Krankheitsbild gilt am ehesten als Kontraindikation für das Autogene Training?

Einfachauswahl

  1. eine Migräneerkrankung
  1. eine akute paranoide Psychose
  1. eine Bluthochdruckerkrankung
  1. ein Schlafapnoesyndrom
  1. eine psychosomatische Erkrankung

Richtige Antwort: B)

 

Hier geht es schlicht und ergreifend darum, zu wissen, dass bei einer akuten Psychose grundsätzlich weder eine Psychotherapie noch ein Entspannungstraining indiziert ist, sondern eine medikamentöse Therapie unter ärztlicher Aufsicht.

 

Frage Nr. 14, Gruppe B:

Zur selbstständigen Durchführung von Verhaltenstherapie bei psychisch kranken Menschen berechtigt grundsätzlich:

Aussagenkombination

  1. die Approbation als Arzt
  1. das abgeschlossene Studium der Psychologie
  1. die allgemeine Heilpraktikererlaubnis
  1. die auf das Gebiet der Psychotherapie beschränkte Heilpraktikererlaubnis
  1. die Approbation als psychologischer Psychotherapeut

 

  1. Nur die Aussagen 1 und 5 sind richtig
  1. Nur die Aussagen 2 und 4 sind richtig
  1. Nur die Aussagen 4 und 5 sind richtig
  1. Nur die Aussagen 1, 3, 4 und 5 sind richtig
  1. Alle Aussagen sind richtig

Richtige Antwort: D)

 

Bei dieser Frage sind einige Prüflinge über 2): „abgeschlossenes Studium der Psychologie“ gestolpert.

Ein abgeschlossenes Studium alleine berechtigt nicht zur therapeutischen Arbeit mit psychisch Kranken. Dazu ist grundsätzlich eine staatliche Zulassung erforderlich:

  1. durch die Approbation (lat.: approbation = Billigung, Genehmigung), der staatlichen Zulassung für Ärzte und psychologische Psychotherapeuten oder
  1. durch die Überprüfung des Gesundheitsamtes für den Heilpraktiker

 

Die komplette schriftliche Prüfung vom 15.03.2017 mit Lösungsschlüssel finden Sie hier.