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Schriftliche Prüfung vom 12.10.2016 - Kommentar

13.10.2016

Kommentar zur aktuellen schriftlichen Prüfung für den Heilpraktiker, eingeschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie, vom 12.10.2016

Der Schwierigkeitsgrad der Prüfung ist im Vergleich zu den Prüfungen aus den vergangenen Jahren meiner Meinung nach in etwa gleich geblieben. Sie war also – mit der richtigen Vorbereitung – gut zu schaffen.

 

Die einzelnen Fachgebiete wurden in der folgenden Gewichtung abgefragt:

 

5 Fragen aus dem Bereich:

  • F4: Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen: soziale Phobie, Panikattacke, dissoziative und somatoforme Störungen, akute Belastungsreaktion, Zwangsstörung

 

je 4 Fragen aus den folgenden Bereichen:

  • F2: Schizophrenie: Therapie, Symptome, Positivsymptomatik, schizophrenes Residuum
  • psychotherapeutische Verfahren: Psychoanalyse: Abwehrmechanismen; Verhaltenstherapie: Flooding, Reizkonfrontation; kognitive VT; diverse: EMDR, Autogenes Training

 

3 Fragen aus dem Bereich:

  • F7-9: Kinder- und Jugendpsychiatrie: Autismus, ADHS, Intelligenzminderung

 

je 2 Fragen aus den folgenden Bereichen:

  • F1: psychotrope Substanzen: Störungen durch Alkohol, Cannabis
  • F3: Affektive Störungen: Sonderformen der Depression: larvierte Depression, agitierte Depression
  • F5: Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen: Essstörungen: Binge-Eating-Störung, Anorexia nervosa: Schwerpunkt Statistik (Erkrankungsalter etc.)
  • Psychopathologie: Manierismen, Gedächtnisstörungen
  • Juristische Aspekte: Gesetzeskunde für den HP, Unterbringungsgesetz

 

je 1 Frage aus den folgenden Bereichen:

  • F0: Organische Störungen: häufigste Demenzformen, -ursachen
  • F6: Persönlichkeitsstörungen: charakteristische Verhaltensmuster der spezifischen Persönlichkeitsstörungen
  • Suizidalität: Risikogruppen

 

Insbesondere die beiden folgenden Fragen haben zu Verunsicherungen geführt:

 

Frage Nr. 14 (Gruppe B):

Welche der folgenden Aussagen treffen zu?

Verschiedene körperliche Erkrankungen können mit Symptomen einer Panikattacke einhergehen.

Hierzu zählen:

  1. Hyperthyreose
  2. Hypoglykämie
  3. koronare Herzkrankheit
  4. zerebrales Anfallsleiden
  5. Asthma bronchiale

 

  1. Nur die Aussagen 1 und 5 sind richtig
  2. Nur die Aussagen 2 und 4 sind richtig
  3. Nur die Aussagen 2, 3 und 4 sind richtig
  4. Nur die Aussagen 1, 2, 3 und 4 sind richtig
  5. Alle Aussagen sind richtig

 

Richtige Antwort: E

 

Dies ist eine echte „Stolperfrage“:

 

Eine Panikattacke (Angstattacke mit starken vegetativen und psychischen Symptomen, die unvorhergesehen und plötzlich auftritt und sich zu einem „Crescendo“ der Angst steigert) ist ein unspezifisches Syndrom, das nicht nur bei den sog. „Angststörungen“ (z. B. Agoraphobie, Panikstörung) auftritt.

Auch andere psychische und körperliche Erkrankungen können ursächlich oder begleitend durch die psychische Belastung Panikattacken auslösen:

 

zu 1): Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion):

durch die gesteigerten Schilddrüsenhormone können z. B. starke Nervösität, Agitiertheit und Angst auftreten

 

zu 2): Hypoglykämie (Unterzuckerung)

auch eine Unterzuckerung kann starke Angst hervorrufen

 

zu 3): koronare Herzkrankheit (Erkrankung der Herzkranzgefäße):

Erkrankungen am Herzen führen sehr häufig begleitend zu großen Ängsten

 

zu 4): zerebrales Anfallsleiden (Epilepsie):

Epilepsie kann mit starker emotionaler Affektivität, z. B. Panikattacken, einhergehen

 

zu 5): Asthma bronchiale (Anfälle von Atemnot bei der Ausatmung)

Atemnot kann natürlich zu großer Panik führen

 

-> prinzipiell können – je nach persönlicher Veranlagung – alle Erkrankungen zu großer Angst und Panikattacken führen

 

 

Frage Nr. 20 (Gruppe B):

Welche der folgenden Zuordnungen zwischen psychischer Erkrankung und klinischen Symptomen treffen zu?

  1. Konversionsstörung – pseudoneurologische Symptome
  2. Somatisierungsstörung – multiple, organisch nicht begründbare Symptome
  3. anhaltende Schmerzstörung – Schmerzen und Behinderungsgrad unverhältnismäßig zu objektivierbarer organische Läsion
  4. Neurasthenie – überwertige Krankheitsfurcht
  5. körperdysmorphobe Störung – überwertiges Gefühl der Hässlichkeit

 

  1. Nur die Aussagen 3 und 5 sind richtig
  2. Nur die Aussagen 1, 2 und 5 sind richtig
  3. Nur die Aussagen 2, 3 und 4 sind richtig
  4. Nur die Aussagen 1, 2, 3 und 5 sind richtig
  5. Alle Aussagen sind richtig

 

Richtige Antwort: D

 

Auf den ersten Blick ist die Art der Darstellung in Form von Zuordnungen ungewohnt.

 

Letztendlich geht es um die Leit- oder charakteristischen Symptome der einzelnen Störungen:

 

zu 1):

Der Begriff „Konversionsstörung“ ist ein Synonym für das Gebiet der „dissoziativen Störungen“ (F44), insbesondere der „dissoziativen Bewegungsstörungen“ (F44.4).

 

Die Symptome der dissoziativen Bewegungsstörungen können neurologischen Symptomen sehr ähnlich sein (z. B. teilweise oder komplette Lähmung von Körperteilen), die aber nicht organisch begründbar sind (deshalb der Begriff „pseudoneurologisch“).

 

zu 2):

Bei der Somatisierungsstörung (F45.0) gehören multiple und unterschiedliche körperliche Symptome, die nicht organisch begründbar sind, zu den diagnostischen Leitlinien.

 

zu 3):

Bei der anhaltenden Schmerzstörung (F45.4) ist das Leitsymptom ein andauernder, schwerer und quälender Schmerz, der nicht durch eine körperliche Erkrankung oder Läsion (Verwundung) vollständig erklärt werden kann.

Psychische Faktoren (z. B. emotionale Konflikte oder psychosoziale Probleme) spielen bei der Verursachung – neben der organischen Verletzung – einen entscheidenden ursächlichen Einfluss.

 

zu 4):

Antwort ist falsch: bei der Neurasthenie handelt es sich um das sog. „Erschöpfungssyndrom

 

zu 5):

Eine (körper) dysmorphobe Störung ist eine überwertige Idee, einen missgestalteten Körperteil (z. B. Nase, Kopf, Kinn, Brust) zu haben und unangenehm bei anderen Menschen damit aufzufallen.

 

Als überwertige Idee grenzt das Symptom an einen Wahn, ist es aber noch nicht. Sie kann generell als starke Befürchtung (= Unterform der hypochondrischen Störung F45.2), als überwertige Idee (F2) oder auch als Wahn (F2) auftreten.

 

 

Wörterbuch:

 

unspezifisches Symptom

  • uncharakteristisch, nicht aussagekräftig
  • vom Symptom her kann man nicht auf ein spezielles Krankheitsbild folgern
  • das Symptom kommt bei verschiedenen Krankheitsbildern vor

 

Crescendo (ital.: anwachsend, steigend)

  • Crescendo der Angst: starke Steigerung der Angst

 

Synonym (gr.: syn = zusammen / onoma = Name)

  • verschiedene Begriffe, die die gleiche Bedeutung haben

 

Dysmorphophobie, dysmophophob (gr.:  dys = Vorsilbe: „miss“,  drückt Störungen aus / morphe = Gestalt / phob = Abneigung)

  • zwanghafte Vorstellung oder überwertige Idee, einen missgestalteten Körperteil (z. B. Nase, Kopf, Kinn, Brust) zu haben und durch wirkliche oder vermeintliche Körperfehler unter Menschen unangenehm aufzufallen

 

alle Prüfungsfragen mit Lösungsschlüssel zum Download finden Sie hier